Induktion der Neuralplatte - Neurulation

Mit der primären Neurulation beginnt die Entstehung des Nervensystems. Die Chorda dorsalis übt eine Induktionswirkung auf den darüber liegenden Ektoblasten aus. Sie bewirkt, dass sich Ektoblastzellen in Neuroektoblastzellen umwandeln. Dies wurde bereits anfangs des 20. Jahrhunderts erkannt und ist heute eindeutig belegt.

Am 19. Tag erscheint die Neuralplatte. Sie stellt die erste Etappe dar in der Entstehung des Nervensystems. Die Neuralplatte bildet sich als medio-sagittale Verdichtung des Ektoblasten rostral des Primitivstreifens. Am kranialen Ende ist die Neuralplatte breiter und umfasst die Region, wo das Gehirn entstehen wird. Am kaudalen Ende ist sie enger und bringt das Rückenmark hervor.
Diese Entwicklung ist mit der Mesoblast-Einwanderung gekoppelt.

Die Neuralplatte enwickelt sich nämlich im Gleichschritt mit der Entstehung der Chorda dorsalis d.h. unter dem induzierenden Einfluss des darunter liegenden axialen Mesoderms (Prächordalplatte und kranialer Anteil der Chordaplatte). Der Induktionsprozess ist ein sehr komplexer Vorgang, der auf die Sekretion von induzierenden Substanzen durch axiale Mesodermzellen zurückzuführen ist. Diese Substanzen diffundieren in Richtung der darüber liegenden Ektodermzellen, wo sie Gene aktivieren, die für die Differenzierung des aus dem Ektoderm entstandenen Epithels in ein mehrreihiges, prismatisches Epithel verantwortlich sind: Das Neuroektoblast. Im Verlaufe der 3. Woche erheben sich die Ränder der Neuralplatte und werden zu Neuralfalten, welche die Neuralrinne umfassen.

Abb. 22 - Neuralplatte 19 - 23. Tag
media/module7/h2na_neurulation.gif

  1. Neuralplatte
  2. Primitivstreifen
  3. Primitivknoten
  4. Neuralrinne

Abb. 23 - Neuralplatte ca. 25. Tag
media/module7/h2nb_neurulation.gif

5
Somiten
6
Schnittrand des Amnion
7
Neuralfalten

Legende
Abb. 22

Mit dem Erscheinen der Neuralplatte am 19. Tag, beginnt die Entwicklung des zukünftigen Nervensystems.

Abb. 23

Am kranialen Ende ist die Neuralplatte breiter und umfasst die Region, wo das Gehirn entstehen wird. Am kaudalen Ende ist sie enger. Dort entsteht das Rückenmark.

Die Falten über der Neuralrinne nähern sich ab dem 25. Tag und verschmelzen zum Neuralrohr (begrenzt den zukünftige mit Ependymzellen ausgekleidete Canalis centralis). Der Schluss des Neuralrohrs beginnt im zervikalen Bereich (in der Mitte des Embryos) und breitet sich von dort in kranialer und kaudaler Richtung aus. Der Neuroporus anterior (cranialis) schliesst sich am 29. Tag.
Der Neuroporus posterior (caudalis) schliesst sich einen Tag später. Die Höhe des Neuroporus anterior entspricht der Lamina terminalis des adulten Gehirns und diejenige des Neuroporus posterior dem Filum terminale am Ende des Rückenmarkes.

Falls der Schluss des Neuralrohrs nicht erfolgt, kommt es zur Spina bifida. Wenn hingegen der Schluss des Neuroporus anterior ausbleibt, so kommt es zu einer Anencephalie. Während sich das Neuralrohr schliesst, lösen sich Zellen an den lateralen Seiten der Neuralplatte und bilden die Neuralleiste. Etwa 50% des Ektoderms wird zur Neuralplatte der Rest bildet die Epidermis.

Abb. 24 - Neuralrohr mit ca. 28. Tagen
media/module7/h2nc_neurulation.gif

  1. Neuralrohr
  2. Neuralfalte
  3. Neuralrinne
  4. Somiten

Abb. 25 - Neuralrohr mit ca. 29. Tagen
media/module7/h2nd_neurulation.gif

5
Neuralleiste (orange)
6
Vorwölbung des Perikards
7
Kranialer Neuroporus
8
Kaudaler Neuroporus

Legende
Abb. 24

Im Verlaufe der 3. Woche erheben sich die Ränder der Neuralplatte und bilden zwei Falten, die die Neuralrinne abgrenzen.

Abb. 25

Der Schluss des Neuralrohrs beginnt im zervikalen Bereich (in der Mitte des Embryos) und breitet sich von dort in kranialer und kaudaler Richtung aus.

Die Zellen der Neuralleisten bilden quasi ein 4. embryonales Keimblatt. Dieses beinhaltet eine partielle Segmentation, die an der Bildung des peripheren Nervensystems teilnimmt (Neurone und Gliazellen des symphatischen, parasymphatischen und sensorischen Nervensystems).
Die Neuralleistenzellen zeichnen sich durch eine grosse Wanderungsfähigkeit und phänotypische Vielfältigkeit aus, da aus ihnen zahlreiche verschieden differenzierte Zelltypen entstehen werden. Aus der Neuralleiste entstehen nicht nur die oben erwähnten Nerven- und Gliazellen, sondern auch die Pigmentzellen der Epidermis (Melanozyten), die Calcitoninzellen der Schilddrüse, die Zellen des Nebennierenmarks und einige Bestandteile des Skelett- und Bindegewebes im Kopfbereich.

Abb. 26 - Sich bildende Neuralleiste (Stadium der Neuralplatte)
media/module7/h2oab_creteneuro.gif

A
Neuralplatte
B
Neuralrinne
1
Epiblast
2
Neuralrinne
3
Neuralleiste

Legende
Abb. 26

Beginn der Neurulation in der zervikalen Region. Die Neuralrinne bildet sich. Orange sind die Zellen der zukünftigen Neuralleiste zu erkennen. Die Pfeile weisen auf die Richtung der lateralen Abfaltung hin.

Abb. 27 - Wandernde Neuralleistenzellen (Stadium der Neuralrinne)
media/module7/h2oc_creteneuro.gif

  1. Epiblast
  2. Neuralfalten
  3. Wandernde Neuralleistenzellen

Abb. 28 - Neuralleiste nach abgeschlossener Ablösung (Stadium des Neuralrohrs)
media/module7/h2od_creteneuro.gif

4
Neuroepithel
5
Canalis centralis
6
Neuralrohr

Legende
Abb. 27, 28

Auf die Neuralplatte folgt die Bildung der Neuralrinne und darauf die des Neuralrohrs. Zellhaufen trennen sich von der lateralen Seite der Neuralplatte ab und bilden die Neuralleisten. Sobald die Neuralleistenzellen das Neuroepithel verlassen heben verlieren sie ihren Zusammenhalt.

Abb. 28

NB: Beachten Sie dass im Stadium der Neuralrohrbildung das Neuralepithel mehrschichtig ist, was auf dieser Zeichnung zwecks Vereinfachung nicht berücksichtigt wurde