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Geschichte und Funktion des Gens SRY

Obwohl die Geschlechtschromosomen im Jahre 1921 entdeckt wurden, ist ihre Rolle in der Geschlechtsbestimmung erst in den 60er Jahren aus Beobachtungen an abnormale Karyotypen (Turner (XO) und Klinefelter (XXY), siehe weiter unten)) erkannt worden. Man wusste zwar schon, dass die Differenzierung der Gonaden in die Testes vom Y-Chromosom bestimmt wird, unabhängig davon, wie viele X-Chomosomen vorhanden sind. Der Faktor, der für die männliche Geschlechtsbestimmung verantwortlich ist, wurde zwar auf dem Y-Chromosom als TDF (testis determining factor) vermutet, aber lange Zeit nicht gefunden. Erst dank der DNA-Analyse einer "Frau" mit einem XY-Karyotyp und dreier "Männer" mit einem XX-Karyotyp konnte das verantwortliche Gen schliesslich im Jahre 1985 identifiziert werden.

Abbildung
Schematische Darstellung der Geschlechtschromosomen.

Die Sequenzierung und Klonierung der DNA dieser Individuen erlaubte es schliesslich, den Abschnitt zu isolieren, der für die Geschlechtsbestimmung verantwortlich ist. Das gewebskompatible Antigen H-Y und das Gen ZFY, die zuerst für die Geschlechtsbestimmung verantwortlich gemacht wurden, konnten ausgeschlossen werden (bei den männlichen Individuen fehlten diese Gene), jedoch konnte das Gen SRY, welches auf dem kurzen Arm des Y-Chromosoms (Yp) war, bei alle dreien gefunden werden. Die Frau mit dem Karyotyp XY wies dieses Gen SRY auch auf – was à priori widersprüchlich war – aber es bestätigte sich, dass es sich dabei um eine Mutation handelte, wodurch das Gen funktionslos war.

Die Expression des Gens SRY stimmt mit dem Zeitpunkt der Geschlechtsdeterminierung überein, denn es wird in den somatischen Zellen der männlichen Genitalleiste exprimiert.

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Transkriptionsfaktor, die durch das Gen SRY kodiert ist.

Der Transkriptionsfaktor (Protein aus 204 Aminosäuren), der durch das Gen SRY kodiert ist, besitzt eine HMG (High Mobility Group) Domäne, die es ihm ermöglicht, sich mit der DNA zu verbinden. So bildet die DNA eine Schlinge. Diese Veränderung der Form des Chromatins erlaubt die Annäherung und Interaktion von Transkriptionsfaktoren, die ihrerseits die Expression von anderen Genen in Gang bringen, welche die Bildung der Testes sowie der anderen männlichen Geschlechtsorgane initiieren.

Die Zielgene des SRY sowie die genauen Mechanismen bleiben aber bis zum heutigen Zeitpunkt unbekannt. Auch ist es wichtig, im Auge zu behalten, dass sich die Geschlechtsdifferenzierung durch eine Kaskade von Genaktivierungen vollzieht. Es sind weitere Faktoren darin involviert, sowohl vor wie nach der Expression von SRY (Schema über die molekularen Faktoren der Entwicklung des Genitalapparates).