Modul
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Störung der Nierengrösse

Hypoplasie

Sie resultiert aus einem embryonalen Entwicklungsstopp der Niere, dessen Struktur im übrigen normal ist. Die Ursache ist nicht geklärt und könnte mit dem Fehlen von Wachstumsfaktoren oder deren Rezeptoren im Laufe der sensiblen Phase der Metanephrogenese zusammenhängen. Die Niere ist klein, wobei die Nierenhypoplasie von einer sekundär atrophischen Niere unterschieden werden muss, welche durch eine Infektion entsteht (chronische Pyelonephritis).

 

Aplasie

Sie stellt die extreme Form einer Dysplasie der Niere dar und unterscheidet sich von der Agenesie, bei welcher es überhaupt keine Nierenanlage gibt. Bei der aplastische Niere sind dagegen eine fibrosierte Nierenanlage mit einigen Derivaten des Ductus mesonephricus (Wolff'scher Kanal) vorhanden.

 

Strukturanomalie

Einfache Nierenzyste

Einfache Nierenzysten sind selten und relativ gutartig. Sie kommen mit dem Alter häufiger vor (0,1 bis 4 % beim Kind, > 30 % jenseits von 70 Jahren). Es handelt sich um eine Zystenbildung ohne Dysplasie, die meist erworben wird. Diese Missbildungen sind häufig asymptomatisch, manchmal werden sie nur durch Zufall bei einer Aufnahme des Abdomens entdeckt. Diagnostisch können sie aber nicht von Tumoren unterschieden werden.

 

Polyzystische Niere

Die Nierendysplasie muss von einer einfachen Hypoplasie unterschieden werden, bei welcher die histologische Struktur normal ist. Auch bei der Atrophie erfolgt die Zerstörung des normalen Nierenparenchyms sekundär.
Die Nierendysplasie ist durch eine kongenitale Anomalie der Entwicklung des embryonalen Nierengewebes charakterisiert. Die Nieren entwickeln grosse epitheliale Zysten, welche im Nierenparenchym lokalisiert sind und zu einem Verlust des funktionellen Gewebes führt, das in einer Niereninsuffizienz enden kann.

Man unterscheidet verschiedene Formen von Dysplasie.

Die autosomal rezessiv vererbte renale polyzystische Dysplasie ist eine seltene kongenitale Erkrankung mit einer Inzidenz von 1/50'000 Geburten. Die Diagnose wird häufig schon mittels Ultraschall in utero gestellt. Diese Erkrankung wurde je nach Zeitpunkt ihres Erscheinens in neonatale, infantile und juvenile polyzystische Nieren eingeteilt. Das verantwortliche Gen ist auf Chromosom 6 lokalisiert. Die Krankheit manifestiert sich durch einen beidseitigen großen Tumor. Dieser Krankheit führt meist zu einer terminalen Niereninsuffizienz vor der Adoleszenz. Im Fall der perinatalen Form tritt die Niereninsuffizienz schon in den ersten Wochen nach Geburt auf.

Makroskopie
 

Die autosomal dominant vererbte renale polyzystische Dysplasie ist eine häufige Erkrankung und hat eine Inzidenz von 1/400 - 1/1'000 Geburten. Ungefähr bei 85% der Familien, welche an dieser Erkrankung leiden, findet man eine genetische Anomalie des Gens PKD1 auf dem Chromosom 16. Die restlichen 10 - 15% der betroffenen Familien haben eine Genanomalie des Gens PKD2, welches auf dem Chromosom 4 lokalisiert ist. Falls ein Elternteil an dieser Erkrankung leidet, ist das Erkrankungsrisiko beim Kind 50%, wobei sich die Symptome meist nicht vor dem 30. Lebensjahr zeigen. Klinisch zeigen sich aber dann auch Zysten in den Lungen, der Leber und Milz.

Mehr dazu
 

Die multizystische renale Dysplasie ist eine Anomalie, welche meist nur einseitig auftritt (im Gegensatz zur polyzystischen Niere, welche immer beidseitig zu finden ist). Die beidseitige Form ist nicht vereinbar mit Leben. Die Ursache dieser Erkrankung ist eine Differenzierungsstörung der fetalen Niere, welche zu einer Rückbildung des Nierenparenchyms führt, welches durch Zysten mit gelblicher Flüssigkeit ersetzt wird. Der Ureter ist atretisch, die Gefässe sind dünn und die Niere besteht nur aus einem Haufen Zysten.
Meist bilden sich die Zysten im Laufe der Zeit zurück, weshalb keine Behandlung notwendig ist. Wenn die andere Niere normal ist, hat es keine Folgen.
Die multizystische Niere kann sich als isolierte Missbildung zeigen, aber sie kann auch assoziiert sein mit der Trisomie 13, einem Syndrom mit einer Vielzahl von Missbildungen oder mit dem autosomal rezessiv vererbten Meckel Syndrom.

Makroskopie
 

Gefässanomalien der Niere

Es gibt viele arterielle und venöse Varianten der Blutversorgung der Nieren, was die wechselnde Blutversorgung der aufsteigenden Niere während ihrer Entwicklung wiederspiegelt.
Nur 39% der Nieren haben nur eine Arterie und eine Vene bei der Autopsie. Bei der Mehrheit bilden sich teilweise embryonale Arterien nicht vollständig zurück. Es entstehen Varianten mit abweichenden oder zusätzlichen Gefässen. Es handelt sich dabei um normale Intersegmentalarterien, die direkt aus der Aorta entspringen, bzw. Venen, die in die Vena cava münden und den oberen oder unteren Pol der Niere erreichen. Führt ein derartiges Gefäss von der Aorta zum unteren Nierenpol, kann der Ureter komprimiert werden, was zu einer Hydronephrose führen kann. Im Übrigen sind die arteriellen Variationen 2-mal häufiger als die venösen. In der Chirurgie muss diesen morphologischen Gefässvarianten besondere Beachtung geschenkt werden, da es sich dabei um terminale Gefässe handelt.

Abb. 35 - Multiple renale Arterien
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Abb. 36 - Arterie am unteren Nierenpol
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Legende
Abb. 35

Zu erkenne sind mehrere renale Arterien, welche zum oberen und unteren Pol der rechten Niere ziehen.

Abb. 36

Von der Aorta führt eine Arterie zum unteren Nierenpol, was zu einem Stau des Ureters mit dilatiertem Nierenbecken auf dieser Seite führt.