Wiederkäuer
Die Implantation findet beim Rind am 19. Tag statt, beim Schaf am 15 Tag. Kurz darauf schliesst sich das Amnion über dem Embryo und der Amnionnabel reisst ein. Seitlich und ventral des Embryos wird das Amnion von der Allantois umwachsen, die beiden Eihäute verbinden sich zum Allantoamnion. Im dorsalen Teil aber bleibt das Amnion „frei“, da sich die Allantois bei den Wiederkäuern (wie auch beim Schwein) nicht bis über den Rücken des Embryos ausdehnt. Das gefässarme Amnion vereint sich mit dem Chorion zum Amniochorion. Die Vaskularisation und somit die Ausbildung zu tertiären Chorionzotten erfolgt durch aus der Nähe einsprossende Allantoisgefässe. Nach ungefähr 30 Tagen ist das gesamte extraembryonale Cölom von der Allantois ausgefüllt. Die Allantois verbindet sich mit dem Chorion zum Allantochorion ausser in den Uterushornzipfeln, in denen der Trophoblast im Stadium des avaskulären, sekundären Chorion verharrt und schliesslich atrophiert.
Am 13. Tag nach der Ovulation misst die Blastocyste ungefähr 6 mm. Sie wächst in der Länge nach beiden Seiten aus, erreicht um die Zeit der Implantation die Basis des nicht graviden Uterushorns und am 22. Tag dessen Spitze. Sie kann eine Länge von bis zu 125 cm aufweisen. Durch die nun folgende Zunahme des Durchmessers wird die Blastocyste zum Fruchtsack.
Das Relief der Placenta fetalis der Wiederkäuer ist von Chorionzotten geprägt. Die avaskulären, unverzweigten Primärzotten bilden sich über das gesamte Chorion aus. Ab der vierten Trächtigkeitswoche verzweigen sich diese und bilden gegenüber den Karunkeln Zottenbüschel aus, die Kotyledonen genannt werden und das Chorion frondosum repräsentieren. Die Primärzotten zwischen den Kotyledonen gehen wieder zugrunde. Diese Bereiche stellen das Chorion leve (Interplazenta) dar und übernehmen die histiotrophe Ernährung (auch Wiederkäuer besitzen sogenannte Areolae, in denen die Uterinmilch aus den Uterindrüsen gesammelt und von Trophoblastzellen aufgenommen wird).
Das mütterliche Gegenstück zu den fetalen Kotyledonen sind die gestielten Karunkeln, die aus drüsenlosen Krypten im Endometrium gebildet werden. Bemerkenswerterweise sind die Karunkeln schon beim fetalen Kalb im Uterus angelegt. Sie besitzen einen 2-3 cm langen Karunkelstiel aus Bindegeweben, in dem zu- und abführende maternale Gefässe verlaufen. Durch die Verzahnung von Karunkel und Kotyledo entsteht das Plazentom. Beim Rind bilden sich zwischen 50 und 150 eiförmig gewölbte Plazentome über die ganze Gebärmutter aus, beim Schaf im Durchschnitt 70.
Während der Trächtigkeit wachsen die Plazentome um ein Vielfaches an und sind im mittleren Bereich des "graviden" Horns am grössten (bis zu 12 cm lang), an den Fruchtsackenden am kleinsten. Sie verlaufen in vier Reihen längs den Uterushörnern entlang.
Beim Rind sind die Plazentome kissenförmig angelegt, beim Schaf eher napfförmig mit einer Eindellung an der Karunkeloberfläche und bei der Ziege schüsselförmig mit einer seichteren Vertiefung. Aufgrund der Aubildung von Plazentome spricht man beim Rind von einer Placenta multiplex seu cotyledonaria.
Wie bei Pferd und Schwein werden auch bei den Wiederkäuern keine maternalen Schichten abgebaut (Placenta epitheliochorialis).
Auf mikroskopischer Ebene finden in den Plazentomen folgende Vorgänge statt: Das einschichtige Karunkelepithel stülpt sich grübchenartig ein und bildet Krypten. Aus den darunterliegenden zellreichen Schichten dringen Fibroblasten zwischen die Krypten ein und bilden bindegewebige Septen aus, welche vaskularisiert werden durch senkrecht zur Uterusoberfläche verlaufende Kapillaren. Die Kotyledonen versenken ihre verzweigten Zotten fingerförmig tief in die Krypten ein. Das ebenfalls einschichtige Zottenepithel ist mit Mikrovilli besetzt, welche durch die Verzahnung mit dem Uterusepithel zur Vergrösserung der Stoffaustauschfläche beitragen. Hier findet die hämotrophe Ernährung statt. Neben den „normalen“ Trophoblastzellen kommen im Zottenepithel auch zwei- oder mehrkernige Trophoblastriesenzellen ohne Mikrovilli vor. Diese synthetisieren bovines respektive ovines plazentares Laktogen mit der Wirkung eines Wachstumshormons, Prostaglandine und Progesteron. Beim Schaf wird beschrieben, dass binukleäre Trophoblastriesenzellen ins maternale Epithel auswandern können, um dort mit einer Epithelzelle zur Hybridzelle (fetomaternale dreikernige Zelle) zu verschmelzen. Durch die Hybridisierung wird das maternale Epithel strukturell zwar verändert, aber nicht abgebaut. Deshalb wird die Plazenta des Kleinwiederkäuers nicht mehr als Placenta syndesmochorialis bezeichnet, sondern den Placenten vom epitheliochorialen Typ zugerechnet. Ein weiterer Unterschied zur Plazentation beim Rind ist bei Schaf und Ziege die Pigmentierung der Zotten durch Blutungen und Melanineinlagerung (Melanophoren). Ebenfalls findet eine viel stärkere Verzahnung als beim Rind statt, was zu einer nicht ganz vollständigen Ablösung der Placenta fetalis bei der Geburt führen kann. Es können einige Zottenstücke in der Gebärmutter verbleiben, die mit der Zeit und meist unschädlich resorbiert werden. Trotzdem werden die Plazenten von Schaf und Ziege, ebenso wie die vom Rind, bei der sich Kotyledonen und Plazentome meist sehr gut voneinander lösen, als Halbplazenten (Semiplazenta) bezeichnet.
Der Nabelstrang wird von einer Amnionscheide umhüllt, auf welcher in der ersten Trächtigkeitshälfte Epithelwucherungen auftreten. Er enthält zwei Umbilikalarterien, welche ab der zweiten Trächtigkeitshälfte spiralförmig verlaufen, beide Umbilikalvenen und einen Urachus.
Plazentadiagnose:
Semiplazenta epitheliochorialis multiplex seu cotyledonaria.