Passive Immunisierung
Die passive Immunisierung der Neugeborenen beruht auf der Aufnahme maternaler Antikörper. Diese können entweder intrauterin durch die Plazenta oder postnatal mit dem Kolostrum von der Mutter auf die Nachkommen übertragen werden.
Die diaplazentare Übertragung von Immunglobulinen kommt insbesondere in hämochorialen Plazenten vor. Bei diesen Spezies (Primaten, Nagetiere) werden beträchtliche Mengen an Immunglobulin G (IgG) durch Pinozytose aktiv übertragen. IgA, IgE und IgM hingegen werden nicht diaplazentar weitergegeben. Neben dem endotheliochorialen Plazentarlabyrinth weist die Plazenta der Fleischfresser auch einen hämochorialen Bezirk, das Randhämatom, auf. Beim Hund werden im letzten Trächtigkeitsdrittel kleine Mengen IgG diaplazentar übertragen, bemerkenswerterweise jedoch nicht in den hämochorialen sondern vielmehr den endotheliochorialen Anteilen. Der wichtigste Teil der passiven Immunisierung erfolgt aber auch beim Hund über die Aufnahme kolostraler Antikörper.
Bei Spezies mit epitheliochorialer Plazenta fehlen die Voraussetzungen für eine Übertragung von Antikörpern während der Trächtigkeit. Die Jungtiere werden deshalb mit einer Agammaglobulinämie geboren und die passive Immunisierung erfolgt durch kolostrale Antikörper. Diese besitzen nicht nur die Funktion der Abwehr systemischer Infektionskrankheiten, sondern schützen auch gegen lokale Darminfektionen. Während maximal 48 Stunden können die Epithelzellen des Dünndarms kolostrale Immunglobuline aufnehmen. Ob die Absorption selektiv mittels spezifischer (FcRn-) Rezeptoren oder nichtselektiv mittels Pinozytose abläuft, ist umstritten.
Wirkung und Spezifität des Kolostrums können verbessert werden, wenn das Muttertier während der Trächtigkeit immunisiert wird. Einige Beispiele, in denen maternale Impfungen in der Praxis zur Anwendung kommen sind Kälberdurchfall durch Rota- oder Coronaviren, Cryptosporidium parvum oder Escherichia coli, Herpesviren (Pferd und Hund) oder Circoviren (Schwein).
Ungeachtet einer allfälligen Resorption vermitteln kolostrale Antikörper und weitere lösliche Faktoren wie Lysozyme, Laktoferrine, Peroxidasen, Oligosaccharide, Zytokine und Leukozyten bei allen Spezies einen lokalen Schutz des Verdauungsapparats vor enterogenen Erregern.
Auch das Vogelküken erfährt eine passive Immunisierung, notwendigerweise während der Brutzeit. Zum Einen gibt das Huhn Immunglobuline aus dem Blut an den Dotter und somit an die Eizelle ab. Zudem inkorporiert das Eiklar IgM und IgA während der Eibildung im Eileiter. Die Allantois (Eiweissack) und das Amnion stehen durch einen Kanal in Verbindung. Durch diesen Ductus sacci albuminis wird Eiweiss aus der Allantois in die Amnionflüssigkeit verlagert und vom Jungvogel oral aufgenommen. Auf diesem Weg gelangen die oben erwähnten Immunglobuline in den Embryo. Auch im Eidotter befinden sich Immunglobuline. Diese werden dem Embryo zur Verfügung gestellt, indem Dotter ab Mitte und vor allem gegen Ende der Brutzeit über den Dottersackstiel in den Darm gelangt und dort durch Enzyme abgebaut wird. Kurz vor dem Schlüpfen wird der Dottersack in den Abdominalraum eingezogen und sein Inhalt während den ersten 5 Lebenstagen aufgebraucht.