Entwicklung des Myelencephalons (5. Hirnbläschen oder Medulla oblongata oder Bulbus spinalis)
Das Myelencephalon stellt den caudalen Teil des Rhombencephalons dar. Es bildet beim Adulten die Medulla oblongata oder Bulbus spinalis. Das Myelencephalon beherbergt die meisten Kerngebiete der Hirnnerven sowie die Zentren, welche unter anderem Atmung, Herzrhythmus, Schluckakt, Husten und Erbrechen überwachen. Es handelt sich um einen Übergangsbereich zwischen Rückenmark und Gehirn, so dass zahlreiche strukturelle Homologien zum Rückenmark bestehen, namentlich im caudalen Bereich des Myelencephalons.
Entwicklung des caudalen Teils des Myelencephalons
Im « röhrenförmigen » caudalen Teil des Myenlencephalons wandern die Neuroblasten aus den Flügelplatten in die Marginalzone aus, wobei jederseits die Nuclei gracilis (medial) und cuneatus (lateral) gebildet werden. Es handelt sich dabei um Schaltstellen der proprioceptiven und der epikritischen Sensibilität, die an Cerebellum und Thalamus herangeführt werden. Durch den ventralen Teil des Myelencephalons hingegen zieht vom 4. Monat an die Pyramidenbahn (oder Tractus corticospinalis als Bahn der Willkürmotorik). Die Kreuzung der beiderseitigen Bahnen, die Decussatio pyramidum, markiert die Grenze zwischen Myelencephalon (Medulla oblongata) und Rückenmark (Medulla spinalis).
Entwicklung des rostralen Teils des Myelencephalons
Im « offenen », rostralen Teil des Myelencephalons führt die Ausbildung der Brückenbeuge auf deren dorsaler, konkaven Seite zu einer rautenförmigen Ausweitung des Dachs des Ventrikelsystems (Bildung der sekundären Hirnbläschen und der Hirnbeugen). Die seitlichen Begrenzungen des Neuralrohrs weichen auseinander (ähnlich dem Aufschlagen eines Buches), wodurch die Erweiterung des IV. Ventrikels entsteht.
Durch dieses Auseinanderziehen wird das Dach des Myelencephalons äusserst dünn, es entsteht das Velum medullare caudale mit dem Plexus choroideus des IV. Ventrikels. Bei Letzterem handelt es sich um eine einschichtige Lage spezialisierter Ependymzellen (Lamina epithelialis) welche vom gefässreichen Mesenchym der Pia mater (Tela choroidea) unterlagert wird. Durch das Wuchern dieser Elemente an ihren seitlichen Rändern entsteht der Plexus choroideus. Dieser bildet - wie alle Plexus choroideï - Liquor cerebrospinalis, Hirn-Rückenmarksflüssigkeit, als Ultrafiltrat des Blutes. Zudem vermittelt der Plexus den Transport von Nährstoffen und Elektrolyten, und er eliminiert toxische Stoffwechselprodukte
Zusammenfassung:
Die extreme Reduktion der Wandstärke im dorsalen Teil des Neuralrohrs führt zum Aufeinandertreffen des ependymalen Epithels (Lamina epithelialis) mit der Leptomeninx (Pia mater und Arachnoidea), wodurch ein Plexus choroideus entsteht. Dieser dehnt sich in den Ventrikelraum aus und bildet den Liquor cerebrospinalis.
- Im Gegensatz zum Dach kommt es im Bereiche der Seitenwände und des Bodens zu einer Verdickung des Neuralrohrs. Dort liegen Grundplatte (medial) und Flügelplatte (lateral) nebeneinander, getrennt durch den Sulcus limitans. Parallel zu diesen Umformungsprozessen zerfallen die im Rückenmark zusammenhängenden Säulen von grauer Substanz in einzelne Kerngebiete (von denen einige eine beträchtliche Längenausdehnung aufweisen können). Ab dem 28. Tag entstehen aus den Grundplatten des Rhombencephalons die motorischen Kerngebiete der Hirnnerven V bis XII, etwas später um die 5. Woche aus den Flügelplatten die entsprechenden sensiblen Kerngebiete. All diese Kerngebiete liegen auf 7 längs verlaufenden Trajektorien, von denen die vegetativen dem Sulcus limitans benachbart sind, während sich die somatosensiblen lateral und die somatomotorischen medial anlagern. Im Kapitel zur Einteilung der Hirnnerven wird die Anordnung dieser Kerngebiete ausführlich erörtert.
Hier sei lediglich noch angemerkt, dass auch die Ventralverlagerung der weissen Substanz infolge der genannten Umgestaltungsvorgänge zur Fragmentierung der Grundplatten und der Flügelplatten in einzelne Kerngebiete beiträgt. - Aus den Seitenwänden des Myelencephalons gehen die unteren Kleinhirnstiele (Pedunculi cerebellares inferiores) hervor. Sie führen spino-cerebelläre, bulbo-cerebelläre und vestibulo-cerebelläre Fasern.
Zur Erinnerung |
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- Die Olivenkerne bestehen aus Neuronen, welche aus der Flügelplatte auswandern und sich im Bulbus spinalis ansiedeln. Es ist dies die erste supra-spinale Struktur, welche entsteht. Die Olivenkerne stellen ein besonderes Kerngebiet der Formatio reticularis dar und bilden eine Schaltstelle der unwillkürlichen Motorik.
Einteilung der Hirnnerven
Synopsis der Entwicklung des Myelencephalons
- Bildung der Brückenbeuge und gleichzeitiges Auseinanderweichen der Seitenwände des Neuralrohrs mit Anordnung von Flügelplatte und Grundplatte in einer schräg verlaufenden Ebene
- Erweiterung des Hohlraumsystems unter Bildung des IV. Ventrikels
- Reduktion der Wandstärke des Dachs des IV. Ventrikels zum Velum medullare
- Verlagerung der grauen Substanz in den Boden des IV. Ventrikels und Anordnung als Kerngebiete der Hirnnerven auf Trajektorien, die einer Fortsetzung von Dorsalhorn (somatosensorische und somatosensible Kerngebiete), Seitenhorn (viscerosensible und visceromotorische Kerngebiete) und Ventralhorn (motorische Kerngebiete) entsprechen