Wiederkäuer
Im Rahmen des zyklischen Geschehens bei nicht-trächtigen Wiederkäuern kommt es nach etwa 21 Tagen bei Rind und Ziege und nach etwa 16 Tagen beim Schaf zur nächsten Ovulation. Deren Voraussetzung ist die Luteolyse, die durch das im Endometrium gebildete und über den venoarteriösen Austausch ins Ovar gelangende PGF2α ausgelöst wird (siehe Einleitung).
Die Erkennung der Trächtigkeit muss also beim Rind in den ersten 15 Tagen erfolgen (respektive beim Schaf in den ersten 12 Tagen). Gelingt dies nicht, wird der Gelbkörper zurückgebildet und das Tier kehrt ohne zeitliche Verzögerung in den Zyklus zurück.
Die Strategien zur Aufrechterhaltung des Gelbkörpers beim Wiederkäuer sind vielfältig und beginnen schon vor der eigentlichen Befruchtung.
Oozyten aus Follikeln mit grossem Antrum teilen sich schneller zur Blastocyste als solche Follikel mit kleinerem Antrum. Ausserdem betrifft eine abnorme Follikelreifung einerseits die Östrogenproduktion, andererseits die Menge und Differenzierung von Granulosa- und Thekazellen, welche ihrerseits die Gelbkörperentwicklung und letztlich auch die Progesteronproduktion beeinflussen.
Auf dem Weg durch den Eileiter wird die Entwicklung der Zygote zur Morula durch Ionen, Aminosäuren, Glukose und lokale Wachstumsfaktoren gefördert. Den Transport der Morula Richtung Uterus begünstigen koordinierte Zilienschläge und Kontraktionen der glatten Muskulatur des Eileiters.
In diesem Zeitraum beginnt die Bildung des Gelbkörpers, initiiert durch das luteinisierende Hormon LH, und es erfolgt ein Anstieg des Progesteronspiegels. Die periphere Progesteronkonzentration steigt ab Tag vier bis zum Maximum vom achten bis zum siebzehnten Tag post ovulationem.
Der Einfluss des Progesterons auf die Blastocyste ist kurz nach deren Eintritt in den Uterus am grössten. Ausserdem dirigiert Progesteron das Endometrium zur Sekretion von Aminosäuren, Ionen, Glukose, Wachstumsfaktoren und Transport-Proteinen, die der freien Blastocyste zur histotrophen Ernährung dienen. Die Persistenz des Gelbkörpers wird bei den Wiederkäuern durch verschiedene, sich teilweise überschneidende Mechanismen sichergestellt:
Die Oxytocinrezeptoren, welche bei nicht-trächtigen Tieren im Endometrium vermehrt auftreten und die PGF2α-Ausschüttung fördern, werden durch das Progesteron blockiert. Ausserdem steigt durch die uterine PGE2 Produktion das Verhältnis PGE2 /PGF2α an und die Rezeptoren auf dem Gelbkörper sprechen weniger an auf PGF2α. Als wichtigstes Signal bei der maternalen Erkennung der Trächtigkeit fungiert das Interferon-τ, welches vom extraembryonalen Trophoblast (beim Rind zwischen dem 12. und 25. Trächtigkeitstag) während der Blastocystenelongation produziert wird.
Interferon-τ besteht aus 172 Aminosäuren und ist Mitglied der Interferon-τ-Familie. Es übernimmt die Aufgabe des langsam sinkenden Progesteronspiegels und unterdrückt die Synthese der Oxytocin- und Östrogenrezeptoren im Endometrium. Ausserdem stimuliert Interferon-τ endometrielle Faktoren, die wichtige Mediatoren für die Entwicklung des Embryos und dessen Anhaftung ans Endometrium sind. Ferner besitzt Interferon-τ die Fähigkeit, das Immunsystem lokal zu unterdrücken.
Wie wichtig, aber auch kritisch diese Ereignisse für die Lebensfähigkeit des Embryos sind, belegen folgende Daten bei Rindern aus Grossbritannien. In 90-95% der Belegungen wird ein ovuliertes Ei befruchtet und ein Embryo reift heran. 5% der Embryonen gehen aufgrund gravierender Chromosomenaberrationen verloren. In 80-90% der Fälle entwickelt sich also ein lebensfähiger Embryo. Ungefähr 50% der Kühe werden aber nach 3 Wochen wieder zyklisch. Diese Zahlen ergeben einen frühen Embryonenverlust von 35% aufgrund fehlgeschlagener embryo-maternaler Kommunikation.