22.10 Entwicklung des Telencephalons
(erstes Hirnbläschen)


Bulbus und Tractus olfactorius


Die Bulbi olfactorii und die Tractus olfactorii gehören zum rostralen Telencephalon. Ab der 4. Woche, Stadium 11veranlassen das lokale Mesenchym und die Ventralseite des Prosencephalons (prospektives Telencephalon) das Oberflächenektoderm zur Ausbildung der Nasenplakoden durch Zellproliferation. Bestimmte Zellen in den Nasenplakoden differenzieren sich zu den primären Sinneszellen des olfaktorischen Epithels. Die Nasenplakoden werden seitlich von Wucherungen des Kopfmesenchyms, den medialen und lateralen Nasenwülsten flankiert. Die Plakoden senken sich in die Tiefe ab, so dass zunächst Riechgruben
15und anschliessend Riechsäckchen 16 entstehen.

Gegen Ende der 5. Woche 16 wachsen die Axone der primären Sinneszellen aus und treten in Kontakt mit Nervenzellen am Rostralende des Telencephalons.Beachte, dass es sich bei den Induktionsprozessen um ein reziprokes Geschehen handelt, veranlassen doch die vom Telencephalon induzierten primären Sinneszellen ihrerseits die Ausbildung des Bulbus olfactorius.

Video

Gesichts-
entwicklung, Frontalansicht (1,1 Mo); Seitenansicht
(1.2 Mo)


Im Stadium 22 isoliert sich der Bulbus olfactorius vom übrigen Gehirn und wächst in die Länge. Er liegt auf der Lamina cribrosa, welche durch Verknöcherung des Os ethmoidale entsteht. Im Bulbus olfactorius differenzieren sich die zweiten sensiblen Neurone, welche in synaptischer Verbindung mit den primären Sinneszellen des Riechepithels stehen. Die zweiten sensiblen Neurone (Mitralzellen) entsenden ihre Axone durch den Tractus olfactorius zu den olfactorischen Rindenfeldern der Area praepiriformis (Palaeocortex) und der Area subcallosa des Archicortex. Möglicherweise erfolgt die bewusste Geruchswahrnehmung im Neocortex nach Umschaltung im Thalamus (Nucleus mediodorsalis). Abb. 102 - Situationsskizze zur Riechbahn um die 9. Woche  Legende

Abb. 102
Schematische Übersicht zur Lokalisierung der Riechbahnen in der frühen Fetalphase.


Abb. 103 - Entwicklung der Riechbahn um die 5. Woche Abb. 104 - Entwicklung der Riechbahn um die 7. Woche  Legende

1
2
3

4
Keimschicht
Wand des Prosencephalons
Primäre Sinneszellen, in
Differenzierung begriffen
Olfaktorisches Epithel


5a Anlage des Bulbus olfactorius

Abb. 103
Am Grund des eingesenkten Riechsäckchen im unteren Teil der Abbildung liegt das olfaktorische Epithel (gelb), in welchem sich die primären Sinneszellen vermehren und ihre Axone in Richtung Prosencephalon entlassen.

Abb. 104
Sobald die primären Sinneszellen das Prosencephalon erreichen, wird die Entwicklung des Bulbus olfactorius induziert.


Abb. 105 - Entwicklung der Riechbahn um die 10. Woche Abb. 106 - Entwicklung der Riechbahn um die 12. Woche  Legende

3

4
5b


6
Axone der olfaktorischen primären Sinneszellen (Fila olfactoria)
Olfaktorisches Epithel
In Entwicklung begriffener Bulbus olfactorius mit allmählich
horizontaler Ausrichtung
Primäre Riechsinneszellen (Zellkörper)


7
8
Zweites sensibles Neuron
Lamina cribrosa des Ethmoids

Abb. 105
Der Bulbus olfactorius streckt sich in die Länge, und der intrabulbäre Ausläufer des Seitenventrikels verjüngt sich bis er zuletzt vollständig obliteriert. Im Bulbus differenzieren sich die zweiten sensiblen Neurone (Mitralzellen).

Abb. 106
Der Bulbus olfactorius liegt der Lamina cribrosa des Ethmoids horizontal auf. Die zweiten sensiblen Neurone stehen nun in synaptischer Verbindung mit den primären Riechsinneszellen.



Synopsis der Entwicklung des Telencephalons


Ab der 5. Woche (Stadium 15) kommt es zu einer markanten Umfangsvermehrung der Grosshirnbläschen (prospektive Hemisphären).
  • Entwicklung der Grosshirnrinde (Cortex) durch Einwanderung von Neuroblasten aus der Ventrikulärzone in die Marginalzone
  • Entwicklung der inneren Kerngebiete durch Ansammlung von Neuroblasten in der Ventrikulärzone des Subpalliums (Ganglienhügel).

Beschleunigtes Wachstum der Grosshirnbläschen gegen Ende der Embryonalphase. Aus der bogenförmigen Ausdehnung resultiert die rostroventral geöffnete Hufeisenform der Hemisphären des Telencephalons.

  • Auftreten des Lobus temporalis und des Sulcus lateralis
  • Infolge ihres geringeren Wachstums wird die Insula durch benachbarte Hirnareale überdeckt
  • Seitenventrikel und paraventrikuläre Strukturen (Nucleus caudatus, Plexus choroideus, Fornix) folgen der bogenförmigen Ausdehnung der Hemisphärenbläschen
  • Das Telencephalon umwächst allmählich den Hirnstamm

Entwicklung der strialen Leisten

  • Die laterale striale Leiste (Telencephalon) entwickelt sich zum Neostriatum, welches den Nucleus caudatus und das Putamen umfasst.
  • Die mediale striale Leiste (Diencephalon) liefert den Globus pallidus (Pallidum) des Palaeostriatum, welcher mit dem Putamen deskriptiv zum Nucleus lenticularis zusammengefasst wird.
  • Das unterhalb des Nucleus lenticularis liegende Corpus amygdaloideum (Amygdala) stellt das Archistriatum dar und soll sich aus Anteilen von Telencephalon und Diencephalon entwickeln.

Entwicklung der Kommissurenbahnen und der Assoziationsbahnen

  • Die Kommissuren des Telencephalons (Corpus callosum, Commissura anterior, Commissura fornicis) entwickeln sich aus der Lamina terminalis
  • Kommissurenfasern des Diencephalons verkehren durch die Commissura habenularum und die Commissura posterior.



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