6.1 Maternale Erkennung der
Trächtigkeit



Einleitung


Die Etablierung und Aufrechterhaltung der Trächtigkeit in Haussäugetieren erfordert Interaktionen zwischen dem sich entwickelnden Fetus und den maternalen Systemen. Diese Vorgänge sind essentiell für das Bestehenbleiben des Gelbkörpers, die Entwicklung des Feten, die Plazentation, die sekretorische Aktivität des Endometriums, die Transportvorgänge zwischen Fetus und Mutter, die Regulation des uterinen Blutflusses, die lokale Downregulierung des maternalen Immunsystems und die Entwicklung des maternalen Gesäuges.

Nicht alle Haussäugetiere benutzen dieselben Strategien, um die Trächtigkeit aufrechtzuerhalten. Die Erforschung dieses komplexen Gebietes wurde in den letzten Jahren stark vorangetrieben, und doch bleiben viele Aspekte nach wie vor spekulativ.

Störungen im Bereich der maternalen Erkennung der Trächtigkeit führen in der Regel zur Resorption des Embryos. Der Zeitpunkt und die Stärke der embryonalen Signale könnten mit der Lebensfähigkeit des Embryos korrelieren. Dadurch würde die Etablierung einer Implantation bei ungenügender Vitalität des Embryos vermieden und die Voraussetzungen für eine neue Trächtigkeit geschaffen.



Fortbestehen des Corpus luteum


Während der normalen zyklischen Aktivität nicht-trächtiger Tiere produziert das Endometrium Prostaglandin F2α. Bei Schweinen, Pferden und wahrscheinlich auch Wiederkäuern und Fleischfressern fördert Oxytocin die Ausschüttung von PGF.


Abb. 1 - Hormone und ihre Wirkungen  Legende
GnRH
FSH
LH
C18
C21
PGF2α

Gonadotropin releasing hormone
Follikel-stimulierendes Hormon
Luteinisierungs-Hormon
Östrogene
Gestagene
Prostaglandin F2α

Abb. 1
Schematische Darstellung der wechselseitigen Beeinflussung von Hypothalamus und Hypophyse, Ovarien und Uterus.

Die punktierte Linie verweiste auf eine verminderte LH-Sekretion aufgrund der hemmenden Wirkung der Gestagene auf das Hypothalamus-Hypophysen-System.



Das PGFwird über die Vena ovarica vom Endometrium abtransportiert und durch den sehr engen Kontakt zwischen Begleitvene und Arterie an die Arteria ovarica abgegeben. Durch diesen lokalen veno-arteriösen Austausch gelangt Prostaglandin ohne den Umweg über die gesamte Zirkulation sehr schnell und in hoher Konzentration zum Ovar.


Abb. 2 - Blutversorgung der weiblichen Geschlechtsorgane  Legende
1
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Uterus
Ovar
Aorta
V. cava caudalis
A. ovarica
V. ovarica
R. tubarius der A. ovarica
R. uterinus der A. ovarica
R. uterinus der V. ovarica
A. uterina
V. uterina
R. uterinus der A. vaginalis
A. vaginalis
V. vaginalis

Abb. 2
Blutversorgung von Ovar, Eileiter und Uterus. Obschon die A. ovarica nur einen bescheidenen Beitrag zur Versorgung des Uterus leistet, fliesst der grösste Teil des venösen Blutes vom Uterus über die V. ovarica ab.


Abb. 3 - Venoarteriöser Austausch von PGF2α  Legende
1
2
3
Ovar mit Corpus luteum
A. ovarica
V. ovarica

Abb. 3
Austausch von PGF2α zwischen Vena und Arteria ovarica. Die im Uterus synthetisierten Prostaglandine gelangen in die V. ovarica. Aufgrund des engen Kontaktes zwischen dieser Vene und der A. ovarica können diese Hormone direkt in die A. ovarica übertreten. Die Prostaglandine werden so ohne Verdünnung im systematischen Kreislauf direkt zum Ovar transportiert. Dort führen sie zur Luteolyse vorhandener Gelbkörper.


In der frühen Trächtigkeit ist der Gelbkörper die Hauptquelle von Progesteron. Die ovariellen Gestagene dienen der Vorbereitung des Endometriums auf eine Implantation und stellen eine genügende histiotrophe Ernährung des Embryos durch das Endometrium sicher. Später produziert die Plazenta bei verschiedenen Spezies ihrerseits Gestagene.

Der Konzeptus kennt 2 Strategien, um eine stabile Gelbkörperphase zu initiieren und somit einen erneuten Östrus zu verhindern: Entweder werden Wachstum und Aktivität des Gelbkörpers durch ein luteotropes Signal gestützt und gefördert, oder aber die Regression des Gelbkörpers wird durch ein anti-luteolytisches Signal aufgehalten.


Abb. 4 - Bestehenbleiben des Corpus luteum  Legende
blau
gelb
rot
grün
Dauer der Trächtigkeit
Lebensdauer des Corpus luteum graviditatis
Gestagen-Produktion durch die Plazenta
akzessorische Gelbkörper (Pfd)

Abb. 4
Durch die Produktion von Progesteon schafft das Corpus luteum graviditatis (gelb) die Voraussetzung für die Aufrechterhaltung der Trächtigkeit. Bei verschiedenen Spezies vermag im Laufe der Trächtigkeit jedoch die Plazenta (rot) diese Rolle zu übernehmen.



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