Die genomische Selektion ist eine neue Methode der Zuchtwertschätzung. Sie basiert einerseits auf den konventionellen Zuchtwerten (Zuchtwerten der Eltern und falls vorhanden Eigen- und Nachzuchtleistung), andererseits auf den „direkten genomischen Zuchtwerten“ (Informationen über Merkmale, die direkt am Genom erfassbar sind), die im Labor ermittelt werden.
Das Ziel der genomischen Selektion ist die Zuchtwertschätzung mit höherer Sicherheit. Vor allem bei jüngeren Tieren konnten mit diesem Ansatz grosse Fortschritte erzielt werden. Wird ein Kalb mit dem konventionellen Abstammungszuchtwert beurteilt, liegt dessen Sicherheit bei ungefähr 35%. Dies entspricht der Sicherheit der Nachzuchtprüfung eines Stieres mit 5 Töchtern. Bei der genomischen Selektion kann schon bei einem jungen Tier eine Sicherheit von 70% erreicht werden. Dies entspricht einer Nachzuchtprüfung von 24 Töchtern. Zum Vergleich: Der Zuchtwert eines in der Schweiz nachzuchtgeprüften Stiers hat eine Sicherheit von 90%, was einer Nachzuchtprüfung von 91 Töchtern entspricht. Der „genomische optimierte Zuchtwert“ ist also die Verbindung der konventionellen Zuchtwerte mit den Informationen aus Markern.
Die Voraussetzungen für die genomische Selektion sind Molekularbiologie und Statistik. Die Erbsubstanz wird untersucht, aber nicht manipuliert. Die nötigen DNA-Proben können aus Blut, Samen, Haarwurzeln oder Gewebe entnommen werden. Mit Markern, die eine bekannte, eindeutig bestimmbare Position auf der DNA identifizieren, wird das erbliche Potential geschätzt. Diese Marker können eine bestimmte Basenpaarvariation an einer bestimmten Stelle der DNA sein. Wenn die Beziehungen zwischen den Markern und den interessierenden Merkmalen (z.B. hornlos) bekannt sind, lässt sich der Zuchtwert statistisch berechnen. Die Daten, die diese Beziehungen zwischen Marker und Merkmal beinhalten, werden von nachzuchtgeprüften Stieren geliefert, deren Vererbungsmuster ausreichend bekannt ist.
Somit könnten in Zukunft nicht nur Leistungswerte, sondern auch funktionelle Werte wie Langlebigkeit und Gesundheit geschätzt werden.
In Kanada und in den USA wird die genomische Selektion auf breiter Basis eingesetzt. In der Schweiz wird die Entwicklung weiter vorangetrieben. Bis jetzt wurden ungefähr 2700 Stiere (Braunvieh, Holstein, Fleckvieh) typisiert, Ergebnisse für die Milchleistung beim Braunvieh liegen inzwischen vor.
Zusammenfassend bietet die genomische Selektion folgende Vorteile: Zuchttiere lassen sich sicherer auswählen, Selektionsentscheide können früher gefällt werden, und der Zuchtfortschritt pro Jahr wird erhöht. Da die kostenintensive Nachzuchtprüfung von KB-Stieren nicht mehr im gleich grossen Ausmass betrieben werden müsste, ist in der genomischen Selektion auch ein Sparpotential vorhanden.
Ausserdem hält das Prinzip der genomischen Selektion in der Schweiz Einzug in die Pferdezucht: 2009 wurde in der Schweiz ein Projekt zur genomischen Zuchtwertschätzung beim Freibergerpferd lanciert.
Eine weitere Methode zur verbesserten Selektion ist der Vollbrüdertest, dieser wird vor allem für die Zuchtstierselektion eingesetzt. Aus einer gezielten Paarung gewonnene Embryonen werden von Empfängertieren ausgetragen. Kommen mehrere männliche Kälber zur Welt, besitzen diese zwar den gleichen Abstammungszuchtwert (½ Zuchtwert der Mutter und ½ Zuchtwert des Vaters), nicht aber den gleichen genomischen Zuchtwert. Der genomische Zuchtwert wird bestimmt und nur der Jungstier mit dem besten genomischen Zuchtwert als Zuchtstier nachgezogen.
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