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11.3 Klinik und zytogenetische Screening-Programme
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Der Begriff Mosaik beschreibt ein Individuum, das sich aus einer einzelnen Zygote entwickelt hat und das zwei oder mehr Zellpopulationen mit unterschiedlichen Genotypen aufweist. Auslöser sind de novo Mutationen, die vor oder nach der Bildung der Zygote entstanden sind und die auch zu Erkrankungen führen können. Die Humanmedizin kennt die Begriffe somatisches Mosaik, gonosomales Mosaik und Keimzell-Mosaik.
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Bei einem somatischen Mosaik ist die Mutation nach der Bildung der Zygote aufgetreten. Die Zellen der Keimbahn sind nicht betroffen die Mutation wird nicht an die nächste Generation weitergegeben. Die Mutation kann weder im Soma noch in den Keimzellen der Eltern nachgewiesen werden. Je nachdem, zu welchem Zeitpunkt der embryonalen/fötalen Entwicklung die Mutation auftritt, sind mehr oder weniger somatische Zellen des Organismus von der Mutation betroffen. Es kann sein, dass nur bestimmte Organe oder Gewebe betroffen sind. Somatische Mutationen können aber auch erst nach der Geburt auftreten (z.B. Haut: Melanoma). Der Effekt der Mutation kann für den Träger neutral, negativ oder positiv sein. Der Effekt der Mutation (Allelwirkung) kann dominant, rezessiv, überdominant, inkomplett dominant oder ko-dominant sein. Die Mutation kann unterschiedlich grosse Abschnitte der DNA betreffen von einem Basenpaar bis zum ganzen Chromosom. Häufig werden Substitutionen, Deletionen und Insertionen beobachtet.
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Abb. 11 - Somatisches Mosaik |
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Abb. 11
Ein Mutationsereignis (dicker roter Pfeil) führt zu einer Zelle mit einem veränderten Genotyp. Diese Mutation wird nur an die Tochterzellen weitergegeben. Die Mutation hat lediglich für das Individuum eine Bedeutung, weil die Zellen der Keimbahn nicht betroffen sind.
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Bei einem gonosomalen Mosaik hat die Mutation frühembryonal stattgefunden bevor sich die Keimzellen und die somatischen Zellen eines Individuums getrennt haben. Auch in diesem Fall kann die Mutation weder im Soma noch in den Keimzellen der Eltern nachgewiesen werden. Im betroffenen Individuum selber kann die Mutation in einem Teil der somatischen Zellen nachgewiesen werden und sie kann, weil sie auch in die Keimzellen gelangt ist, an die Nachkommen weitergegeben werden.
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Abb. 12 - Gonosomales Mosaik |
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Abb. 12
Eine Mutation tritt nach der Bildung der Zygote (dicker roter Pfeil), aber vor der Trennung der somatischen und der Keimbahnzellen, auf. Sie wird normalerweise nur in einem Teil der somatischen Tochterzellen gefunden. Die Mutation wird aber auch in allen Keimbahnzellen zu finden sein und wird an die nächste Generation weitergegeben werden. Deshalb kann ein gonosomales Mosaik auch eine grosse Bedeutung für die Population haben.
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Bei einem Keimzellmosaik ist die Mutation während der Keimzellentwicklung aufgetreten, nachdem sich die Primordialzellen von den somatischen Zellen getrennt haben. Ein Individuum, das als Keimzellmosaik bezeichnet wird, ist von dieser Mutation nicht betroffen. Sie kann nur in den Keimzellen, nicht aber in den somatischen Zellen nachgewiesen werden. Keimzellmosaike geben die Mutation weiter, wenn ein Spermium oder eine Eizelle mit der Mutation bei der Befruchtung zum Zuge kommen. Die Unterscheidung dieser Mosaike kann sehr schwierig sein.
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Abb. 13 - Keimzell-Mosaik |
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Abb. 13
Eine Mutation (dicker roter Pfeil) tritt nach der Trennung der somatischen und der Keimbahnzellen auf -während einer der Mitosen oder während der Meiose. Sie wird dann nur in einem Teil der Spermien oder Eizellen vorhanden sein. Deshalb kann ein Keimzell-Mosaik auch eine grosse Bedeutung für die Population haben.
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Von einem chromosomalen Mosaik spricht man, wenn für ein Individuum mindestens zwei Zell-Linien mit unterschiedlichen Karyotypen nachgewiesen werden können. Numerische und/oder strukturelle Veränderungen können für die unterschiedlichen Karyotypen verantwortlich sein. Bei subfertilen Stuten finden wir oft zwei Zell-Linien: Eine Zell-Linie ist normal mit dem Karyotyp 64,XX und die andere Zell-Linie zeigt eine Monosomie X (63,X). Der Karyotp einer solchen Stute lautet 63,X/64,XX. Von einem echten Mosaik spricht man, wenn die abnorme Zell-Linie eine Häufigkeit von mehr als 10% aufweist. Liegt die Häufigkeit zwischen 2 und 10%, spricht man von einem „low-level mosaic“. Für kleinere Häufigkeiten (unter 2%) muss die Bewertung vorsichtig ausfallen. Man kann nicht ausschliessen, dass Artefakte zu diesen Beobachtungen geführt haben. Die meisten chromosomalen Mosaike entstehen durch post-zygotische de novo Mutationen während der Mitose. Die Beurteilung der Bedeutung von chromosomalen Aberrationen ist nicht immer leicht
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Eine Chimäre ist ein Individuum, das aus zwei oder mehreren genetisch unterschiedlichen Zell-Linien von unterschiedlichen Zygoten zusammengesetzt ist. Chimärismus wird entweder früh in der Entwicklung durch die Fusion zweier Zygoten etabliert (tetragametische Chimäre), oder später in der Entwicklung durch den Austausch von hämatopoietischen Zellen zwischen Zwillingen während der Trächtigkeit. Letztere werden als Blutchimären bezeichnet und führen beim Rind bei verschiedengeschlechtlichen Zwillingsträchtigkeiten zum Phänomen des Freemartinismus. Diese auch als Zwicken bezeichneten weiblichen Zwillinge sind normalerweise nicht fruchtbar (steril).
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Neben den klassischen Blutchimären und den tetragametischen Chimären kennt man heute das Phänomen des fötalen Mikrochimärismus. Er entsteht durch einen Austausch von maternalen und fötalen Zellen zwischen der Mutter und dem Fötus während der Schwangerschaft. Interessant ist die Tatsache, dass fötale Zellen Gewebe der Mutter besiedeln können und auch nach der Schwangerschaft noch nachweisbar sind. Es wird diskutiert, ob dadurch die Gesundheit der Mutter negativ oder positiv beeinflusst werden kann.
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