4.2 Kryokonservierung von
Spermien und Embryonen



Theoretische Grundlagen


Kryoprotektiva


Zusätzlich zur optimalen Kühlungsrate sind zum Schutz der Zelle vor den tiefen Temperaturen und ihren Auswirkungen sogenannte Kryoprotektiva notwendig. Diese stabilisieren die Zellmembranen, verringern die Eiskristallbildung und minimieren den Einfluss hoher Elektrolytkonzentrationen durch die Bindung von Wassermolekülen. Sie werden schon vor dem Einfrieren beigegeben und entfalten zumindest teilweise ihre Wirkung schon bei Temperaturen über dem Gefrierpunkt.
Die folgenden Kryoprotektiva finden Anwendung vor allem beim Embryotransfer, oft kommen auch Kombinationen vor.


Penetrierende Kryoprotektiva:

Penetrierende Kryoprotektiva gelangen durch die Zellmembran ins Zellinnere, da sie ein geringes Molekulargewicht besitzen. Aufgrund der Membrandurchlässigkeit für das Kryoprotektivum erfolgt eine Aequilibrierung zwischen dem beim Kühlprozess aus der Zelle ausströmenden Wasser und dem einströmenden Kryoprotektivum. Somit wird die Schrumpfung der Zelle verhindert. Die Penetrierbarkeit des Gewebes hängt ab von der Temperatur, dem gewählten Kryoprotektivum, der Zelle selbst und dem Entwicklungsstadium eines Embryos. In hohen Dosen können penetrierende Kryoprotektiva toxisch auf die Zellen wirken, vor allem bei längerer Einwirkzeit unter hohen Temperaturen. Sie werden daher meist nach einer ersten Abkühlungsphase zugesetzt. Neben Glycerin, DMSO und Propandiol findet vor allem das Ethylenglykol Verwendung.


Nicht-penetrierende Kryoprotektiva

Nicht-penetrierende Kryoprotektiva entfalten ihre Schutzwirkung im Extrazellulärraum. Da sie nur in niedrigen molaren Konzentrationen eingesetzt werden und extrazellulär verbleiben, wirken sie weniger toxisch. In der Literatur werden den nicht-penetrierenden Kryoprotektiva verschiedene Wirkungsmechanismen zugeschrieben. Eine davon beruht darauf, dass diese Kälteschutzmittel den Anstieg der extrazellulären Ionenkonzentration verzögern und somit den Wasseraustritt aus der Zelle vermindern. Damit wird der Dehydratation der Zelle und den entsprechenden Folgeschäden entgegengewirkt. Der prominenteste Vertreter der nicht-penetrierenden Kryoprotektiva ist die Sucrose.



Einfriergeschwindigkeit


Aufgrund der erzielten Abkühlraten während des Gefriervorganges wird zwischen langsamem und schnellem Einfrieren unterschieden.
Durch die Anwendung automatisierter Kühlgeräte lassen sich die Zellen in definierten Raten abkühlen. Dies wird kontrolliertes Gefrierverfahren genannt.


Langsames Einfrieren:

Beim langsamen Einfrieren werden geringere Abkühlraten (z.B. -0.3°C/Min) und niedrige molare Konzentrationen von Kryoprotektiva verwendet. Während der Abkühlung entstehen im Extrazellulärraum Eiskristalle, und die Zellen werden dehydriert (siehe Kapitel biochemische Grundlagen).

Durch Anpassen der Kryoprotektiva und Überführung der Pailletten in Flüssigstickstoff nach Erreichen empirisch ermittelter höherer Temperaturen (-25°C und -35°C) entwickelte sich das konventionelle Tiefgefrierverfahren, das heute zur Kryokonservierung von Embryonen und Eizellen angewandt wird. Ein programmierbares Kühlgerät steurt die Abkühlrate.


Schnelles Einfrieren

Wird die Zelle so schnell abgekühlt, dass für das osmotische Ausströmen von intrazellulärer Flüssigkeit keine Zeit bleibt, bilden sich intrazelluläre Eiskristalle. Das osmotische Gleichgewicht bleibt zwar erhalten, aber durch das Kristallwachstum im Zellinnern können die Zellorganellen und die Zellmembran erheblich geschädigt werden. Beim schnellen Einfrieren werden die Proben, abhängig von der Spezies, nach dem Abkühlen auf ungefähr -25°C in flüssigen Stickstoff umgesetzt.

Bei der ultraschnellen Tiefkühltechnik wird auf ein Kühlgerät verzichtet. Die Pailletten werden direkt in Flüssigstickstoff (N2) getaucht. Dabei kann eine Abkühlrate um die 2000°C/min erreicht werden. Durch das beigegebene nicht-penetrierende Kryoprotektivum, das extrazellulär verbleibt und somit die Osmolarität erhöht, dehydriert die Zelle teilweise und die innere Kristallbildung wird reduziert. Diese Technik findet bis jetzt noch keine routinemässige Verwendung



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