22.6 Grundlagen der Gehirnentwicklung


Einführung


Wie im Rückenmark, so lagern sich auch im primitiven Gehirn (Urhirn) die Perikaryen (graue Substanz) um den zentralen Liquorraum während die Axonen der Neurone (weisse Substanz) weiter peripher zu liegen kommen. Auch im Hirnstamm wird diese prinzipielle Anordnung beibehalten. Im Kleinhirn und in den Grosshirnhemisphären kommt es jedoch neben der Ausbildung zentral gelegener grauer Substanz zusätzlich zur Entwicklung von grauer Substanz in Form von Rinde an der Oberfläche. In diesem Kapitel soll die Entstehung der Rinde (Cortex) durch Zellwanderung erläutert werden.



Histogenese der Grosshirnrinde


Seitlich am Telencephalon entstehen zwei Bläschen, aus denen die Grosshirnhemisphären hervorgehen. Rostral wird das Neuralrohr nach Verschluss des Neuroporus anterior durch die Lamina terminalis abgeschlossen.


Abb. 39 - Querschnitt durch das Telencephalon im Stadium 20 (ca. 48 Tage)  Legende

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Stelle, an welcher das Diencephalon durch die Ausdehnung der
Grosshirnhemisphären überdeckt wird
III. Ventrikel
Hypothalamus
Thalamus
medialer Ganglienhügel
lateraler Ganglienhügel
Plexus choroideus im Foramen interventriculare
Cortex der rechten Hemisphäre
Seitenventrikel
Cortex des Hippocampus (Archicortex)

Abb. 39
Dieser Querschnitt durch das Telencephalon auf Höhe des Foramen interventriculare zeigt die Anlage der beiden Grosshirn-
hemisphären sowie der Plexus choroidei in den Seitenventrikeln und im Dach des III. Ventrikels. Die Ganglienhügel sind deutlich erkennbar, ebenso das Diencephalon (Hypothalamus und Thalamus sowie lateraler Ganglienhügel)


Die prospektive Grosshirnrinde des Palliums entwickelt sich im gesamten Dach der Grosshirnbläschen während im dickeren Boden oder Subpallium (ventro-lateraler Bereich der Hirnbläschen) die Ganglienhügel mit ihren medialen 14 und lateralen 15 Anteilen entstehen. Aus dem Ganglienhügel geht das Corpus striatum des Telencephalons hervor sowie das Kerngebiet des Globus pallidus, welches zum Diencephalon gehört.

Ursprünglich ist die Hirnoberfläche glatt. Ab der 18. Woche nimmt sie aber ihr typisches Aussehen an, welches durch Fissuren (Spalten), Sulci (Furchen) und Gyri (Windungen) geprägt ist.

Die Entstehung der Rinde basiert auf der Auswanderung von Neuroblasten von ihrem Bildungsort in unmittelbarer Nachbarschaft des Ventrikelraums in Richtung Hirnoberfläche. Die oberflächliche, subpial liegende, geschichtete graue Substanz des Telencephalons stellt die Grosshirnrinde dar, die graue Substanz in Form von Zellansammlungen im Inneren bildet die Basalganglien (Kerngebiete des Stammteils). Aufsteigende und absteigende corticale Fasern durchqueren den Ganglienhügel als Capsula interna und gliedern diesen in zwei Anteile:

  • den Nucleus caudatus innen und
  • den Nucleus lentiformis aussen

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Die Streifenkörper, Corpora striata, bestehen aus dem Nucleus caudatus und dem Putamen. Gemeinsam mit dem zum Diencephalon gehörenden Globus pallidus (oder Pallidum) bildet das Putamen den Nucleus lentiformis.

Die ursprünglich angelegte Schichtung des primitiven Neuralrohrs in drei Zonen (Ventrikulärzone, Intermediärzone und Marginalzone), welche im Rückenmark deutlich erkennbar ist, verwischt sich im Bereiche des Telencephalons. Die Neurone der Intermediärzone dringen allmählich in die Marginalzone vor. Auf eine nur unvollständig bekannte Art und Weise lassen sie dort sukzessive durch Proliferation, Migration und Differenzierung die typische sechs-schichtige Rinde des Neocortex und die drei-schichtige Rinde des Allocortex entstehen.

Tabelle

Funktionelle und histologische Einteilung des Neocortex



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Ausführliche Darstellung der Histogenese der Grosshirnrinde



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